Im Sommer dieses Jahres besuchten Geschäftsleiterin Karin Schäfer und Projektverantwortlicher Peter Ganther mehrere miva-Partnerorganisationen in Kolumbien. Ihre Eindrücke zeigen, wie anspruchsvoll die Arbeit vor Ort oft ist – und wie entscheidend Mobilität für die Menschen ist, die sich in schwierigen Kontexten engagieren. Ihre Eindrücke haben die beiden festgehalten.
Karin Schäfer berichtet, was sie während der Reise besonders bewegt und geprägt hat:
Sieben Stunden über staubige Pisten voller Schlaglöcher - eine Tortur für die Insassen und für den 18 Jahre alten Geländewagen. Dann endlich erreichen wir unsere Partner – erschöpft, aber erleichtert. Aufgrund eines Unwetters haben sie seit Tagen kein Trinkwasser, auch die Kommunikation ist zusammengebrochen. Vor Ort haben sie kein Fahrzeug, verfügen über keine Mobilität und verlieren dadurch wertvolle Zeit. Ihre Arbeit wird ineffizient, ihre Hilfe kommt zu spät. Auf meiner Projektreise nach Kolumbien wurde mir wieder einmal vor Augen geführt, wie entscheidend Mobilität ist. Ein Fahrzeug ist hier kein Luxus – es ist die Lebensader. Es bringt Hilfe, Medikamente, Bildung.
Mich hat tief beeindruckt, wie unsere Partner trotz schwierigster Umstände hervorragende Arbeit zugunsten der Benachteiligten leisten. Dabei ist ihre lokale Verwurzelung unverzichtbar. Sie kennen die Gegebenheiten vor Ort und geniessen das Vertrauen der Bevölkerung – zentrale Voraussetzungen für nachhaltige Entwicklung. Doch diese Arbeit kann nur sicher, kontinuierlich und wirkungsvoll erfolgen, wenn Mobilität gewährleistet ist. Fahrzeuge sind keine Annehmlichkeit, sondern Grundbedingung – der Schlüssel, um Chancen zu schaffen und Perspektiven zu sichern.
Wie sich diese Herausforderungen im Alltag zeigen, schildert Peter Ganther in seinem Bericht über die Besuche bei langjährigen miva-Partnerorganisationen:
Einem in Kolumbien ansässigen Schweizer Diplomaten wird die Aussage zugeschrieben, es gäbe eigentlich zwei Kolumbien. Das eine sei “wie Miami”, das andere “wie Haiti”. Der Vergleich ist überzogen, illustriert aber den tiefen Graben zwischen Armut und Überfluss, Stadt und Land, reicher Biodiversität und rücksichtslosem Raubbau an der Natur, Lebensfreude und nie enden wollenden Kriegen.
Dass dieser Graben überwindbar ist, zeigt die Fundación Saciar in Medellín seit 25 Jahren. Ihr Motto „Eine Brücke zwischen Mangel und Überfluss“ ist Programm: Monatlich versorgt sie über soziale Einrichtungen rund 170’000 Bedürftige mit Lebensmitteln, die Supermärkte und Produzenten nicht (mehr) verkaufen können. miva unterstützt Saciar seit den Anfängen und finanzierte bisher vier Fahrzeuge, zwei davon sind noch heute im Einsatz. Für Gründer und Ex-Direktor Pedro Nel Giraldo ist miva deshalb ein „strategischer Partner“, dessen Unterstützung vor allem in den Anfangsjahren entscheidend war, um Türen zu Sponsoren zu öffnen.
In “Klein-Bethlehem” (Belencito) in der berühmt-berüchtigten Comuna 13 in Medellin treffen wir weitere altgediente, jung gebliebene miva-Partner: die Lauritas, eine kolumbianische Schwesternkongregation, die indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften begleitet und verteidigt. Schwester Carmen, Initiantin des Velo-Projekts “A estudiar en bicicleta”, steht jetzt dem Kloster-eigenen Gymnasium vor. Überrascht und berührt bin ich auch vom Treffen mit Schwester Rosa Cadavid: Seit einem schweren Unfall kann sie nicht mehr gehen, seit fast 20 Jahren bewegt sie sich mit einem von miva finanzierten Elektro-Rollstuhl. Hermana Rosa ist eine streitbare, unerschrockene Menschenrechtlerin, die sich viele Feinde geschaffen hat, weil sie sich von den Kriegsparteien nicht einschüchtern liess und nicht locker lässt bei der Aufklärung des Schicksals von bis zu 500 Personen, die in der Comuna 13 zum Verschwinden gebracht wurden. Rosa wirkt munter und stark - mobil dank einem überalterten Rollstuhl von “strategischer” Bedeutung.

